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Guten Tag Frau Heil,

wir selber waren 20 Monate lang betroffene Großeltern. Der Nachsatz im § 1685 " wenn es dem Kindeswohl dient", öffnet den Eltern alle Möglichkeiten, vor Gericht unfassbare Lügen über ihre Eltern bzw. Schwiegereltern zu erzählen oder den Konflikt als unüberbrückbar darzustellen und somit das Kind den Großeltern zu entziehen.

Wir haben uns 9 Jahre lang intensiv um unsere Enkelin gekümmert, bis ein neuer Partner zu unserer Tochter kam und alles geändert hat. In Frankreich und Belgien müssen die Eltern ihre Behauptungen wenigstens glaubhaft darlegen und beweisen ; zudem werden sie bei Nichtbeachtung des Besuchsrechts sanktioniert. Seit Januar 2016 haben wir wieder Besuchsrecht, aber das Kind hat lange gelitten und leidet heute noch!

Unsere Gesetzes-Lösung muss die Großeltern als gute und unverzichtbare Elemente im Familienleben definieren. Ändern Sie etwas.

mit freundlichen Grüßen

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Antwort von Mechthild Heil:

 

Sehr geehrte Familie ...,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Umgangsrecht von Großeltern mit ihren Enkelkindern. Ich bitte Sie zu entschuldigen, dass ich erst jetzt mit einer angemessenen Reaktion an Sie herantreten kann. Bei einem solch komplexen Thema ist es manchmal schwierig den geeigneten Ansprechpartner zu erhalten um eine fundierte rechtliche Einschätzung zu erhalten. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Zum Thema Umgang von Kindern mit ihren Großeltern lässt sich folgendes sagen: die Bedeutsamkeit der Großeltern für die Kinder ist unbestritten. Gleichwohl besteht aus gesetzgeberischer Perspektive wenig Handlungsbedarf, da § 1685 Abs. 1 BGB das Umgangsrecht für Großeltern statuiert. Demnach haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift den Großeltern ein subjektives Recht gewährt, das nicht um dieser selbst willen besteht, sondern im Interesse des Kindes ausgestaltet ist. Alleiniger Maßstab bei der Frage des Umgangsrechts ist also das Kindeswohl, das durch das Familiengericht positiv festgestellt werden muss.

Die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht der Großeltern sind strenger als beim Umgangsrecht eines Elternteils. Während ein Elternteil gemäß § 1684 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Umgangsrecht mit seinem Kind hat, fordert § 1685 Abs. 1 BGB, dass der Umgang der Großeltern mit dem Kind dem Wohl des Kindes dient.

Der differenzierten Ausgestaltung der beiden Umgangsvorschriften liegt die folgende Überlegung zugrunde. Über den Umgang des Kindes mit einer anderen Person entscheiden gemäß § 1632 Abs. 2 BGB grundsätzlich die Eltern in Ausübung der elterlichen Personensorge (§ 1631 BGB). Der Vorrang der Eltern, ihrer Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder ist im Grundgesetz, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, verankert. Das Kindeswohl stellt in jeder Beziehung zum Kind die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung dar.

Der Rechtsbegriff des Kindeswohls umfasst das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes. Er ist vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst. Eine Konkretisierung des Begriffes des Kindeswohls ist bereits gesetzlich normiert. Ein wichtiger Anhaltspunkt zur Bestimmung der Kindeswohldienlichkeit des § 1685 Abs. 1 BGB ergibt sich aus § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB. Danach gehört zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit Personen, zu denen das Kind Bindungen hat, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Bei der Kindeswohlprüfung ist ebenfalls zu berücksichtigen, ob der Umgang der Großeltern mit dem Kind konfliktfrei erfolgt. Konfliktsituationen können beispielsweise entstehen, wenn eine Störung der Beziehung zwischen Großeltern und Eltern vorliegt. In diesen Fällen kann das Kind in einen Loyalitätskonflikt zwischen Eltern und Großeltern geraten.

Eine engere Begriffsbestimmung des Kindeswohls wäre nicht sachgerecht, da den Familiengerichten insbesondere aufgrund der Vielfältigkeit von familiären Bindungen die Möglichkeit verbleiben muss, die Besonderheiten jeden Einzelfalls angemessen zu bewerten.

Familiengerichte müssen die Kindeswohldienlichkeit von Amts wegen prüfen; das bedeutet, dass eine Anregung des Kindes oder des Jugendamtes ausreichend ist, um die elterliche Umgangsregelung zu überprüfen. Nur bei einer verbleibenden Ungewissheit der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs trägt der Umgangsbegehrende die Feststellungslast.

In strittigen Fällen wird meist nach Einholung eines familienpsychlogischen Gutachtens, das durch einen Sachverständigen erstellt wird, entschieden. Bislang konnte jeder, auch ohne entsprechende Ausbildung, Gutachter in familiengerichtlichen Verfahren werden, obwohl der Umgang mit zerstrittenen Familien, mit belasteten Kindern psychologische und methodische Kenntnisse verlangt. Die CDU/CSU – Bundestagsfraktion hat sich für eine Stärkung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlich bestellter Sachverständiger, sowie für eine Verbesserung der Qualität von familienpsychologischen Gutachten eingesetzt. Deswegen verabschiedete der Deutsche Bundestag im Juli dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sachverständigenrechts (Drucksache 18/6985). Das neue Gesetz sieht vor, dass nur noch ausgewählte Berufsgruppen mit bestimmten Qualifikationen Gutachten für Familiengerichte erstellen dürfen.

Um die Qualität der familiengerichtlichen Verfahren weiter zu stärken, ist es nicht ausreichend, nur das Sachverständigenrecht zu reformieren. Es ist auch notwendig, die gesetzlichen Eingangsvoraussetzungen für eine Tätigkeit als Familienrichter zu erhöhen. Die Praxis zeigt, dass teilweise junge Richter als Familienrichter eingesetzt werden, die die erforderlichen familienrechtlichen Kenntnisse, insbesondere Grundkenntnisse des Kindschaftssrechts, anfangs nicht beherrschen und sie erst mit der Berufserfahrung erwerben. Deswegen besteht an dieser Stelle ein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Für eine entsprechende Änderung setzt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein. Ich persönlich kann Ihr Anliegen und Ihre Verbitterung über die erfahrene Situation gut verstehen. Ich werde mich mit meinen Fraktionskollegen auch in der Zukunft für die Beachtung der Rechte der Großeltern zum Wohle der Kinder einsetzen.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Mechthild Heil